Reto Aschwanden Weltmeister für Schachkomposition!22 Jahre nachdem Roland Baier die erste Lösungsweltmeisterschaft für sich entscheiden konnte, durften die Schweizer Problemisten wieder einen Weltmeistertitel feiern. Der Winterthurer Reto Aschwanden hatte gemäss der am 25.4.2005 veröffentlichten Rangliste der Weltmeisterschaft für Schachkomposition (WCCI) 2001-2003 die Kategorie Märchenschach gewonnen. En passant belegte er in der Kategorie Retroanalyse auch noch den dritten Platz. Für die Weltmeisterschaft senden die Teilnehmer pro Kategorie 6 Aufgaben ein, welche in der jeweiligen Dreijahresperiode veröffentlicht wurden. Eine dreiköpfige Jury vergibt Punkte (je zwischen 0 und 4), und die vier am besten bewerteten Probleme pro Teilnehmer kommen in die Wertung. Von möglichen 48 Punkten (3x4x4) hat Reto Aschwanden in der Kategorie Märchenschach deren 38 erhalten. Damit distanziert er Klaus Wenda (Österreich) um 2 und Juraj Lörinc (Slowakei) um 3 Punkte. Die Kategorie Retroanalyse hat der Franzose Thierry le Gleuher (41.5) vor dem Ukrainer Alexander Kisljak (39.5) und Reto Aschwanden (39) gewonnen. |
Reto Aschwanden (l.) und der Preisrichter der Mehrzügerabteilung des Länderkampfs Finnland-Schweiz, GM Hans Peter Rehm, am Fachsimpeln während des Weltproblemistenkongresses 2004 in Kallithea (GRE). (Foto: Franziska Iseli) |
6 Retroanalyseaufgaben von Reto AschwandenDie Märchenschachaufgaben, mit denen Reto Aschwanden die Schachproblemwelt seit Jahren in Erstaunen versetzt, sind zumeist recht schwer verdaulich. Wer weiss, wie die Figuren ziehen und wie sie am Partieanfang aufgestellt werden, kann aber sehr wohl die 6 Beweispartien geniessen, mit denen Reto in der Kategorie Retroanalyse reüssiert hat. Die "Shorties" auf Seite 23 der Schweizerischen Schachzeitung (5/2005) sind dazu der ideale Einstieg. |
Reto Aschwanden Probleemblad 2002 Beweispartie in 18.0 Zügen |
"Beweispartie in 18.0 Zügen" bedeuet, dass wir die
Stellung nach dem 18. schwarzen Zug vor uns haben. Um
herauszufinden, wie die Partie verlaufen ist, zählt man am
besten erst einmal die im Diagramm "sichtbaren" Züge;
meistens sind diejenigen einer Partei alle oder fast alle
zu sehen. Um möglichst viel von der Beweispartie zu
verschleiern, versuchen die Komponisten, von der andern
Partei möglichst viele Steine auf ihrem Partieausgangsfeld
aufzustellen. In diesem Fall sind natürlich die 18 schwarzen Züge sichtbar. Beachten Sie, dass der sK dank der Rochade nur einen Zug gebraucht hat. Weiss muss also einerseits die drei fehlenden schwarzen Steine schlagen und andererseits dafür sorgen, dass drei eigene Steine geschlagen werden - das können die fehlenden Bauern sein, aber auch Umwandlungsfiguren oder Originalfiguren, welche im Diagramm durch Umwandlungsfiguren ersetzt sind. Es drängt sich auf, dass der b- und der c-Bauer via c7 auf die Umwandlungsreihe gelangt sind, und der h-Bauer via g7. Der sBe7 wurde ebenfalls auf seinem Ursprungsfeld geschlagen. Bis Weiss c7 bzw. e7 geöffnet hat, ist Schwarz fast vollständig blockiert - es darf also keine Zeit verloren werden: Nach 1.b4 Sa6 2.b5 Sc5 3.b6 Sa4 4.bxc7 hat Schwarz zum ersten Mal etwas Luft. b5 5.c4 Lb7 Jetzt kann Weiss seinen ersten Bauern umwandeln. Damit Schwarz die Luft nicht gleich wieder ausgeht, muss e7 bald aufgehen; also 6.c8=S! Ld5 7.Sxe7 Sxe7 8.c5 Sg6 9.c6 Df6 10.c7 Df3 Der jetzt zu erwandelnde Stein hat nur einen Zug Zeit, um sich zu opfern; also 11.c8=S! f6 12.Se7 Lxe7 13.h4 0-0-0 14.h5 Tde8 15.h6 Ld8 16.hxg7 h5 Und als Schlussbouquet 17.g8=S! h4 18.Se7+ Txe7 Die Idee, dass eine Seite einen Umwandlungsstein im Verlauf der Beweispartie opfert, ist nach einem Italiener und einem Ukrainer Ceriani-Frolkin benannt. Hier sehen wir drei davon, von denen zwei herausragen, weil der weisse Themastein selbst nicht schlägt. Und als Sahnehäubchen werden alle drei Themasteine werden auf dem gleichen Feld geopfert! |
Reto Aschwanden Die Schwalbe 2002 4. Preis Beweispartie in 19.0 Zügen |
Auf den ersten Blick scheinen nur 18 schwarze Züge
sichtbar. Der Figurenknäuel auf a3-b2-b3 lässt sich aber
nur auflösen, wenn der sT von oben nach a3 gezogen hat,
wobei vorher b2-b3 und La3-b2 geschehen sind. Kein
wB-Opfer auf d3 also, sondern wiederum drei
Umwandlungen. 1.d4 h5 2.d5 h4 3.d6 Th5 4.dxc7 Gerade rechtzeitig für d5, denn der sT darf noch nicht nach f5 ziehen! 5.c4 Dd7 6.c5 Dh3 7.c6 Lg4 Damit die Umwandlungsfigur nur einen Zug für ihr Opfer braucht, geht nur: 8.c8=L! Sh6 9.Ld7+ Sxd7 10.c7 Sf6 Und diesmal? 11.c8=L! Sh7 12.Lf5 Txf5 (jetzt erst!) 13.e4 0-0-0 14.e5 Td6 15.e6 Ta6 16.exf7 e5 17.b3 La3 Dass jetzt nochmals eine Läuferumwandlung kommt, wird kaum mehr jemanden überraschen ... 18.f8=L! Lb2 19.La3 Txa3 |
Reto Aschwanden Problemesis 2001 1. ehrende Erwähnung Beweispartie in 15.5 Zügen |
"15.5 Züge" bedeutet, dass die Stellung durch 16 weisse
und 15 schwarze Züge entstanden ist. Diesmal sind es die 16 weissen Züge, die allesamt im Diagramm sichtbar sind. Die Schwierigkeit der Lösung besteht darin, die sBB so umzuwandeln, dass sie und die entstehenden Figuren die weisse Rochade nicht stören. Schwarz muss wie gewohnt möglichst rasch die weisse Stellung deblockieren: 1.h4 d5 2.h5 d4 3.Th4 d3 4.Tf4 dxc2 Nun kann Weiss den Damenflügel öffnen: 5.d4 a5 6.Sd2 a4 7.Sdf3 a3 8.Sh4 axb2 Wieder ist ein Riegel im richtigen Moment aufgegangen. 9.a4 Wie kann Schwarz in den verbleibenden 7 Zügen zwei Bauern umwandeln, die entstehenden Steine so verstauen, dass Weiss rochieren kann, und diese Steine auch noch opfern? b1=S! 10.La3 c1=L! 11.Db3 Le3!! 12.Db6 Sd2!! Das indische Manöver ist die Lösung: ein Stein überschreitet einen Schnittpunkt, um sich durch den andern verstellen zu lassen ... 13.0-0-0 ... der die Linie wieder öffnet, nachdem die Verstellung genutzt worden ist: Sb1+ 14.Kxb1 Und plötzlich hat Schwarz sogar zuviel Zeit und muss einen Wartezug einschalten: Ld2 15.Ka2 Lc1 16.Txc1 |
Reto Aschwanden Problemesis 2003 Beweispartie in 22.0 Zügen |
Wenn man beachtet, dass der Sg1 zwei Züge ausgeführt haben
muss, um den Th1 nach e1 durchzulassen, sind auch hier
alle weissen Züge sichtbar. Schwarz muss wieder so rasch
wie möglich die Schlösser öffnen. 1.d4 Sc6 2.Lh6 Se5 3.dxe5 Sf6 4.exf6 Kaum hat die Partie begonnen, hat Schwarz seine beiden Springer geopfert! d5 5.fxg7 Lg4 6.gxh8=T Lf3 Jetzt hat Weiss etwas Luft. Schwarz startet dafür ein äusserst verblüffendes Manöver, um trotz des fesselnden Th8 seine Steine von f8 und g8 wegzukriegen. 7.gxf3 c5 8.Lh3 c4 9.Lg4 c3 10.Sh3 cxb2 11.c4 a5 12.Sc3 b1=S 13.c5 Sd2 14.Tb1 Se4 15.Tb6 Sf6 16.Db1 Sg8! "Rückkehr" des Umwandlungsspringers auf das Partieausgangsfeld des Geopferten! 17.Kd1 Lg7 18.Te1 Ld4 19.Lf8 Sf6 20.Sg1 Sd7 21.Th6 Sb8! Und das gleich zweimal! 22.c6 Sa6 Die Idee, einen Offizier zu opfern, einen Bauern in die gleiche Gangart umzuwandeln und die Umwandlungsfigur aufs Partieausgangsfeld des Geopferten zu ziehen, ist (wieder nach einem Problemisten, der sie früh dargestellt hat) unter dem Begriff Pronkin bekannt. |
Reto Aschwanden StrateGems 2003 Beweispartie in 17.5 Zügen |
Wo hat Weiss seine Bauern diesmal geopfert? Für uns Routiniers spielt sich der Anfang jetzt schon wie von selbst. 1.b4 e5 2.b5 e4 3.b6 e3 4.bxc7 b5 5.h4 La6 Weiss braucht eine Umwandlungsfigur, mit der er auf d7 schlagen kann; allerdings darf die sD nicht gefesselt werden: 6.c8=L Da5 7.Lxd7+ Sxd7 8.h5 0-0-0 9.h6 Kb8 10.hxg7 Hier bleibt der Bauer eine Weile blockiert. Wenn er sich dann endlich umwandeln kann, wird die Zeit für ein Opfer zu spät sein. Weiss muss deshalb einen seiner Offiziere opfern und später mit der auf g8 umgewandelten Figur ersetzen. Am schnellsten geht das mit dem Königsläufer. h5 11.g4 Th6 12.Lg2 Tb6 13.Lb7 Ld6 14.Lc8! Ausgerechnet auf dem Feld, wo Weiss einen Läufer umgewandelt hat, muss er jetzt den ursprünglichen opfern - das ist die Umkehrform des Pronkin-Themas. Se7 15.g8=L Endlich - nichts wie heim! f6 16.Ld5 Txc8 17.Lg2 Txc2 18.Lf1! Als Krönung wieder ein Pronkin. Das ist wohl die erste Kombination von Pronkin und Anti-Pronkin, bei der im Diagramm alle Spuren verwischt sind. |
Reto Aschwanden WCCC 2002 Champagner-Turnier 1. Preis Beweispartie in 17.5 Zügen |
Schon bevor das Genre Beweispartie vor etwa zehn Jahren
seinen Siegeszug um die ganze Welt angetreten hat, war es
in unserem westlichen Nachbarland sehr beliebt; dass ein
Franzose diese Kategorie gewonnen hat, ist also alles
andere als erstaunlich. Hauptverantwortlich für diesen
Boom ist der Preisrichter der allgemeinen Abteilung des
Länderkampfs Finnland-Schweiz, Grossmeister Michel
Caillaud, den man füglich als Erfinder des Genres
bezeichnen kann. An der jährlichen Weltzusammenkunft der Problemisten (WCCC) führt Caillaud jeweils das Champagner-Turnier durch. Vor drei Jahren ging die beste Flasche in die Schweiz. Die 17 schwarzen Züge haben Sie sicherlich bereits im Diagramm abgezählt. Weiss hat scheinbar viel zu viel Zeit, um seine Bauern umzuwandeln und die vier fehlenden schwarzen Steine zu beseitigen. Trotzdem muss er sich beeilen, damit Schwarz nicht die Züge ausgehen. 1.d4 h5 2.d5 h4 3.d6 h3 4.dxc7 d5 5.g4 Le6 6.c8=L Dd6 Schwarz muss möglichst rasch rochieren können: 7.Lxb7 Sd7 8.Lc6 0-0-0 9.g5 Sc5 Damit der sK über b7 nach a6 gelangen kann, muss der Umwandlungsläufer für die Rückkehr nach c8 einen anderen Weg einschlagen. 10.Ld7+ Kb7 Jetzt muss schleunigst die rechte Seite geöffnet werden. 11.g6 Ka6 12.gxf7 g6 13.fxg8=T Lh6 Schliesslich muss der schwarze Damenturm am weissen Umwandlungsturm vorbei kommen. 14.Tg7 Tdg8 15.Tf7 Tg7 16.Tf8 Lf7 17.Tg8! e6 18.Lc8+! In den letzten beiden Zügen vollenden die beiden Umwandlungssteine ihre quadratischen Rundläufe. Wem das nicht gefällt, dem ist wahrlich nicht zu helfen! |