Reto Aschwanden Grossmeister für Schachkomposition

An Ihrem Kongress im Jahr 2010 hat die World Federation for Chess Composition (WFCC) Reto Aschwanden als erstem Schweizer Problemisten den Titel Grossmeister für Schachkomposition verliehen.

Zusammen mit Retos zwei Weltmeistertiteln für Komposition (2001-03 Märchenschach, 2004-06 Retroanalytische Aufgaben) und Roland Baiers Leistungen als Löser (1983 Weltmeister, seit 1989 Internationaler Grossmeister) ist das der grösste Erfolg eines Schweizers im Bereich Schachkomposition.

Die Titel für Schachkomposition werden aufgrund von "Album-Punkten" vergeben. Für jede Komposition, welche in die dreijährlich herausgegebenen "FIDE-Alben" aufgenommen wird, gibt es einen Punkt (bei Gemeinschaftsaufgaben wird dieser gleichmässig auf die Autoren verteilt). Um den Grossmeistertitel zu erhalten, benötigt ein Problemist 70 Album-Punkte (IM: 25, FM: 12).

Um 70 Punkte zu erreichen, benötigen die meisten Titelträger viele Jahrzehnte; der Grossmeistertitel wird also normalerweise für ein Lebenswerk verliehen. Mit seinem jugendlichen Alter von 36 Jahren ist Reto Aschwanden unter allen Grossmeistern wohl derjenige, der bei der Titelverleihung am jünsten war.

Drei Kostproben aus Reto Aschwandens Schaffen

Reto Aschwanden
Die Schwalbe 1992
3. ehrende Erwähnung
(Version Die Schwalbe 2000)

#2
Das erste Beispiel stellt das Dombrovskis-Thema mit Hilfe weisser Linienkkombinationen dar.
In den thematischen Verführungen geht alles um die Deckung der Felder b4 und b5. Wenn einer der weissen Springer b5 deckt, droht der andere auf b6 matt zu setzen; und Schwarz verteidigt sich durch Verstellungen des Lf8, weil das im Diagramm doppelt gedeckte b4 damit zum Fluchtfeld wird.
1.Sc7? (droht 2.Scb6#) Le7 2.Ta5:#, aber 1.-Te7!
1.Sa3:? (droht 2.Sdb6#) Te7 2.Lb5#, aber 1.-Le7!
Die abseits stehende weisse Dame ist die einzige kleine Schwäche dieses Problems. Der Schlüsselzug 1.ba3:! bringt sie ins Spiel; es droht 2.Sb2#. Nun verstellt Schwarz auf e7, um a3 zum Fluchtfeld zu machen. Dabei werden jedoch die Deckungslinien von f1 bzw. h5 nach b5 halb geöffnet; wenn der richtige Springer auf b6 matt setzt, öffnet er die Deckungslinie ganz:
1.-Te7 2.Scb6#
1.-Le7 2.Sdb6#
Haben Sie es bemerkt? In der Verführung, welche 2.Scb6# droht, ist Te7 die Widerlegung - und in der Lösung erlaubt ausgerechnet die Verteidigung Te7 den Mattzug 2.Scb6#. Und mit der Verteidigung Le7 und dem Mattzug 2.Sdb6# verhält es sich genauso.
Diese paradoxe Wechselwirkung wurde bewusst erstmals vom Letten Alfreds Dombrovskis dargestellt und nach ihm benannt.
Reto Aschwanden & Michel Caillaud
Jubiläumsturnier Gianni Donati 50 2003
2. Preis

Beweispartie in 20 Zügen
Beweispartien sind heutzutage die beliebteste Form von Retroanalyse-Aufgaben. Für den Beitrag zum Geburtstagsturnier des renommierten Retro-Spezialisten aus den USA tat sich Reto mit dem französischen Grossmeister zusammen.
Bei Weiss hat sich in den 20 Zügen kaum Sichtbares getan, aber Schwarz muss sich gehörig sputen; dabei muss der Damenläufer Platz machen, um die beiden schwarzen Türme durchzulassen. Die 20 Züge lassen sich also wie folgt auf die schwarzen Steine verteilen: K:2 D:2 aT:2 hT:2 cL:2 fL:1 bS:1 gS:2 aB:1 bB:1 dB:1 eB:1 fB:2.
Den weissen aB wird die schwarze Dame schlagen, und auch den Königsläufer wird Weiss scheinbar leicht los, weil Schwarz ja des öfteren einen Offizier auf ein weisses Feld zieht.
Den cB kann Weiss hingegen nicht einfach so stehen lassen, denn der erste schwarze Turm muss ja direkt von c8 nach c1 ziehen können. Zwischen c3 und c7 schlägt Schwarz aber nie; dieser Bauer muss sich deshalb auf c8 umwandeln, und der Umwandlungsstein sich irgendwo opfern.
Und mangels schwarzem Schlagzug auf b2-b6 geht auch der bB (mit Schlag des Bc7) nach c8, um sich anschliessend zu opfern.
Die weissen und schwarzen Züge sind eng verzahnt: die Abfolge b6:c7 b7-b5 Lc8-b7 c7-c8 Dd8-a5 Da5-a2 Lf8-a3 d7-d6 schränkt das scharze Spiel stark ein, und a7-a5 Sb8-a6 können auch erst gespielt werden, wenn die schwarze Dame a5 verlassen hat.
Weiss darf auf c8 nicht in Schwerfiguren umwandeln, weil diese Schach bieten würden. Und nach Umwandlung in Springer bleibt c8 zu lange von Weiss gedeckt, und die schwarze Rochade ist nicht erlaubt. Nur mit Läuferumwandlungen kommt Weiss zum Ziel:
1.b4 e5 (der fB muss bis zum 12. Zug warten) 2.b5 Se7 3.b6 Sg6 4.bxc7 b5 5.c4 Lb7 6.c8=L Da5 7.c5 Dxa2 8.c6 La3 9.c7 d6 gerade rechtzeitig für 10.Lh3 a5 11.c8=L Sa6 12.Lcg4 f5!! Nur nach diesem Manöver kann der schwarze König c8 überschreiten! 13.d3 0-0-0 14.Lg5 Kb8 15.e3 f4 Nun können die beiden Umwandlungsläufer nach c8 zurückkehren, wo Schwarz sie schlagen kann: 16.Lc8 Txc8 17.Le2 Tc1 18.Lc8 Thxc8 und als Sahnehäubchen opfert sich auch der ursprüngliche Läufer auf diesem Feld: 19.Lg4 T8c2 20.Lc8 Lxc8
Wer würde bei dieser Diagrammstellung vermuten, dass drei weissfeldrige Läufer die Hauptrolle spielen?
Reto Aschwanden & Jean-Marc Loustau & Michel Caillaud
phénix 1999
1./2. Preis

#2 LEOb1c7 PAOa6c1d1 VAOa1b8g6
Für dieses Märchenschach-Gewaltepos kam ein weiterer französischer Grossmeister dazu. Es stellt die fortgesetzte Verteidigung 6. Grades dar, ein Thema, welches mit orthodoxen Mitteln im Zweizüger noch nie bewältigt worden ist.
Wenn sie nicht schlagen, ziehen Leo/Pao/Vao gleich wie ihre aufrechten Kollegen. Aber wenn sie schlagen (auch den gegenerischen König), muss zwischen dem Start- und dem Zielfeld genau 1 Stein beliebiger Farbe - der Bock - stehen. Der VAOb8 könnte in der Diagrammstellung also nach a7 ziehen und auf d6 schlagen (mit LEOc7 als Bock). Und der PAOa6 deckt die Flucht c6 (mit LEOb6 als Bock).
Der Schlüsselzug ist 1.Sf5! und droht 2.Se7#
Fast jeder Abzug des LEOc7 verteidigt gegen diese Drohung, weil der Tb7 nach e7 sieht. Züge wie 1.-LEOc8 erlauben jedoch 2.Dd3#, weil der VAb8 jetzt e5 deckt.
Schwarz kann seinen LEO jedoch auf bessere Felder stellen. Z.B. 1.-LEOc6! - jetzt geht 2.De4 nicht mehr, weil LEOb6 das Feld e6 nicht mehr deckt. Dafür ist c6 jetzt geblockt, womit der Bock b6 nicht mehr gebraucht wird: 2.LEOd4# (der Leo spielt jetzt Bock für den PAOd1).
Je weiter Schwarz seinen Leo nach unten spielt, desto raffinierter wird die Geschichte; die Beziehungen der Effekte und Züge lässt sich am übersichtlichsten in einer Tabelle darstellen:
Zugschädlicher Effektgegennützlicher Effektfür
1.Sf5!Zugriff auf e72.Se7#
1.-LEO~Öffnung b7-e72.Se7#Öffnung b8-e52.Dd3#
1.-LEOc6Öffnung b7-e72.Se7#Öffnung b8-e52.Dd3#
Verstellung b6-e62.Dd3#Block von c62.LEOd4#
1.-LEOc5Öffnung b7-e7, Zugriff auf e72.Se7#Öffnung b8-e52.Dd3#
Zugriff auf d42.Dd3#Deckung von c6 durch PAOc12.LEOd4#
Verstellung b6-d42.LEOd4#Block von c52.Sbd4#
1.-LEOc4Öffnung b7-e72.Se7#Öffnung b8-e52.Dd3#
Zugriff auf d42.Dd3#Deckung von c6 durch PAOc12.LEOd4#
Zugriff auf d32.LEOd4#Deckung von c5 durch PAOc12.Sbd4#
Zugriff auf d32.Sbd4#Block von c42.LEOd3#
1.-LEOc3Öffnung b7-e72.Se7#Öffnung b8-e52.Dd3#
Zugriff auf d42.Dd3#Deckung von c6 durch PAOc12.LEOd4#
Zugriff auf d32.LEOd4#Deckung von c5 durch PAOc12.Sbd4#
Zugriff auf d32.Sbd4#Deckung von c4 durch PAOc12.LEOd3#
Zugriff auf d22.LEOd3#Deckung von c4 durch PAOc12.Dc4#
1.-LEOc2Öffnung b7-e72.Se7#Öffnung b8-e52.Dd3#
Fesselung der De22.Dd3#Deckung von c6 durch PAOc12.LEOd4#
Zugriff auf d32.LEOd4#Deckung von c5 durch PAOc12.Sbd4#
Zugriff auf d32.Sbd4#Deckung von c4 durch PAOc12.LEOd3#
Zugriff auf d2, Verstellung b1-d32.LEOd3#Deckung von c4 durch PAOc12.Dc4#
Fesselung der De22.Dc4#Öffnung b8-e5, Deckung von e4 durch VAOb12.Se3#